["Der Ficus Benjamini"] Mit einem bleichen Gram gebeugten Radiologen Ist er in grauer Vorzeit mal hier eingezogen Es ist als stünde er schon immer dort seit eh und je Der Ficus Benjamini an der Tür zum MRT Er ist die einzige Pflanze, die es in der Unterwelt Auf Dauer mit all *** Kummer und *** Säufzern aushält Das ist kein Platz für zarte Gartenrosen Rosen ertragen keine harten Diagnosen Das kann nur ein Gewächs, das alle Schattenseiten kennt Das tapfer ist und leidgeprüft und strahlungsresistent Er kennt in *** tageslichtlosen Raum das Inventar Den Schirmständer, die Zeitschriften, den Tisch, das Formular Er kennt ihn, den Geruch der Angst, der an den Wänden klebt Er kennt das Schwert des Damokless, das über Hallen schwebt Er kennt die Qual der Ungewissheit, er kennt die Befunde Vielleicht kennt er auch schon den Tag, vielleicht sogar die Stunde Er selber überlebt in ausgetrocknetem Substrat Savanne, auf die es seit Jahren nicht gerinnet hat Nur ein paar Zigarettenkippen hast dich ausgedrückt Von traurigen Gelbfingern sind das Einzige, was ihn schmückt Eine nervös verbogene Büroklammer In seinem Untersatz liegt Zeugnis ab von all *** Jammer Der ihn streift wie ein Luftzug, wenn die Tür aufgeht, dann fällt Ein Blatt auf die speckige ADAC-Motor-Welt Du fragst dich, warum man dich heute so lang warten lässt Zählst die verbliebenen Blätter in *** räudigen Geäst Und irgendwie erinnert dich die magere Gestalt Des Ficus Benjamini ganz entfernt an einen Wald Es riecht weniger nach Kiefer als nach Desinfektionsmittel Und dann tragen die Förster hier ausnahmslos weiße Kittel Und doch erinnert dich der mutige kleine Baum daran Dass auch auf ausgedörrtem Boden Hoffnung wachsen kann Und mit seinem gerupften, ***ütigen Blätterkleid Vermag er dich zu trösten in dieser Trostlosigkeit Du kommst hier wieder raus, wirst über dir den Himmel sehen Wirst überraschendes Laub auf einem Waldweg gehen Du wirst die Freiheit spüren, die Tür geht wieder auf vor dir Des Ficus Benjamini aber bleibt für immer hier Ich verspüre eine zärtliche Zuneigung zu all den vergessenen Zimmerpflanzen, die unsere Zeit mit uns teilen. Ich verspüre eine Dankbarkeit für all die stillen Dulder, seien es auch Tiere oder seien es Menschen, die uns anvertraut sind, die wir uns vertraut gemacht haben Und die sich uns Sinn geben, die sich uns schenken Und ich empfinde eine ebenso tiefe Abneigung gegen alle, die dieses Geschenk, dieses Vertrauen missbrauchen oder ausnutzen Und Abneigung ist nicht das richtige Wort, das ist Zorn Und mein Lied erzählt davon, es ist ein Lied, dessen Refrain, das weiß ich, über das Wendland halte Über den Platz vorm Kanzleramt in Berlin Und der im wilden, wilden Süden ertönt bei den aufmüpfigen Schwaben, dort wo die Wiege der Rebellion steht Und eingefallen ist es mir mal im Berliner Wahlkampf